Wenn das Leben eine andere Richtung nimmt: Mein Weg als Sternenmama
- Janina
- 4. März
- 3 Min. Lesezeit
Ich erinnere mich noch genau an jenen Sommerabend. Es war warm, die Luft voller Leben, und ich saß mit Angie in einem Restaurant, ohne zu wissen, wie eng unsere Wege sich einmal verweben würden. Damals erzählte sie mir von ihrer Arbeit als Trauerbegleiterin, von ihrer Leidenschaft, Menschen in schweren Zeiten beizustehen. Ich hörte ihr interessiert zu, konnte aber nicht ahnen, dass ich selbst einmal nach genau dieser Art von Unterstützung suchen würde.
Dann kam der Tag, der alles veränderte. Der Tag, an dem wir unsere Tochter Leyla nicht mit nach Hause nehmen durften. Der Tag, an dem wir zu Sterneneltern wurden.
In dieser unbegreiflichen Leere, die folgte, gab es einen Namen, der sofort in meinem Kopf war: Angie. Ich wollte mit ihr sprechen, weil ich wusste, dass sie verstehen würde. Ich rief sie an – unser erstes Telefonat werde ich nie vergessen. Sie war da, sie hörte zu, sie hielt meinen Schmerz mit aus. Und in dieser dunkelsten Zeit meines Lebens wurde mir klar, dass ich einen Raum brauchte. Einen Ort für meine Trauer, für meine Fragen, für mein gebrochenes Herz.
Wenn die Gesellschaft keine Antworten hat
Die ersten 40 Tage nach Leylas Tod verbrachte ich in einer Art Schockzustand. Ich zog mich zurück, versuchte zu verstehen, was passiert war. Dabei wurde mir schnell etwas klar: Unsere Gesellschaft ist nicht bereit für Trauer.
Jeden Tag wurde ich gefragt: „Wie geht es dir?“ Und wenn ich ehrlich antwortete, spürte ich das Unbehagen. Man erwartet, dass es einem gut geht. Und wenn nicht, dann soll man es bitte für sich behalten.
Aber wie lebt man weiter mit der Trauer? Wie führt man sein Leben fort, wenn das eigene Kind gestorben ist?
Ich suchte nach Menschen, die das Gleiche erlebt hatten. Ich wollte wissen, wie sie mit diesem Schmerz umgehen, wie sie es geschafft haben, wieder einen Alltag zu finden – und ob das überhaupt möglich ist. Ich fand kaum Stimmen dazu. Viel zu wenige Mütter sprachen darüber, zu wenige erzählten, wie es ihnen wirklich ging.
Und genau da wusste ich: Das will ich ändern.
Ich wollte einen Raum schaffen, in dem sich Sterneneltern austauschen können, in dem wir offen über den Verlust unserer Kinder sprechen dürfen. Leylas Sterne war geboren – eine Plattform, die genau das ermöglichen sollte.
Die Lücke im System
Eine der größten Herausforderungen nach Leylas Tod war für mich die fehlende Unterstützung.
Nach der Beerdigung kam – nichts. Kein Gesprächsangebot, kein Fahrplan, keine Anlaufstelle. Nur ein unpersönlicher Brief von der Krankenkasse mit einer Liste an „Hilfsangeboten“, darunter eine Schwangerschaftskonfliktberatung. Ich hatte keinen Konflikt mit meiner Schwangerschaft. Mein Kind war tot.
Ich wusste nicht, dass ich das Recht hatte, Leyla nach der Geburt noch einmal zu mir zu holen. Ich kannte keine Sternenkinderfotografen, die Erinnerungen für uns hätten festhalten können. Ich wusste so vieles nicht – und niemand hatte es mir gesagt.
Ich dachte an all die anderen Eltern, die diesen Weg gehen müssen – und dass sie es vielleicht genauso wenig wissen wie ich. Warum gibt es keine Leitfäden für uns? Warum werden wir in dieser tiefsten Krise unseres Lebens allein gelassen?
Mit Angie an meiner Seite entstand die Idee: Wir brauchen ein Handbuch für Sterneneltern. Einen Notfallplan für Krankenhäuser. Eine Liste mit Ansprechpartnern, die sofort helfen können.
Es kann nicht sein, dass Eltern, die gerade ihr Kind verloren haben, wochenlang auf einen Termin bei einem Therapeuten warten müssen. Trauer braucht Raum – sofort. Nicht erst, wenn sie einen innerlich auffrisst.
Das Tabu brechen
Seit Leylas Tod habe ich viel gelernt. Über Trauer, über den Umgang der Gesellschaft mit Schmerz, über das, was Menschen sagen (oder lieber nicht sagen).
Es gibt so viele gut gemeinte, aber verletzende Worte. Es gibt so viel Schweigen, weil Menschen nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Es gibt so viele Sterneneltern, die sich allein fühlen, weil niemand es wagt, ihre Kinder beim Namen zu nennen.
Aber unsere Kinder haben existiert. Sie sind nicht nur ein Moment gewesen, sie sind ein Teil von uns.
Mit Leylas Sterne wollen wir genau das sichtbar machen. Wir organisieren Online-Treffen für verwaiste Mütter, wir erinnern an Geburtstage unserer Sternenkinder, wir kämpfen dafür, dass Sterneneltern nicht in Vergessenheit geraten.
Ich bin dankbar für die Menschen, die sich uns anschließen. Für jede Mutter, die den Mut hat, ihre Geschichte zu erzählen. Für jeden Vater, der sagt: „Ich bin auch betroffen.“
Und vor allem bin ich dankbar für Leyla. Mein Sternenkind.Meine größte Lehrmeisterin.
Ich werde ihre Geschichte weitertragen – für sie, für mich und für all die anderen Sternenkinder, die zu früh gehen mussten.
Denn sie verdienen es, dass man über sie spricht.
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